Radium-Emanatorium und Inhalatorium
Die kulturgeschichtliche „Geburtsstätte“ des Heilbads Badenweilers
Das „Inhalatorium“ bezeichnet durch seine Lage am Thermalwasserstollen, dessen Geschichte bis in die Römerzeit zurückreicht, einen der kulturhistorisch bedeutendsten Punkte Badenweilers. Wahrscheinlich war die, Kelten und Römern gleichermaßen heilige Thermalquelle, der Göttin des Schwarzwaldes, Diana-Abnoba, gewidmet. Medizingeschichtlich zählt der Pavillon zu den bemerkenswertesten Einrichtungen des Heilbads im letzten Jahrhundert.
Der oktogonale Pavillon, der zahlenmythologisch auf einen Neuanfang des Lebens verweist, steht rund drei Meter über Straßenniveau und ist über eine breite, nun nach einer 2016 abgeschlossenen Totalsanierung errichteten eleganten Wassertreppe zu erreichen. Das Gebäude besitzt stilvolle Sprossenfenster, eine geschwungene barocke Dachhaube, ein aufwändig gestaltetes Portal mit einer von vergoldeten Voluten mit Akanthusblättern und einem bärtigen Haupt gekrönten Kartusche, wohl eine antike Wassergottheit darstellend. Seit 1921 trägt der Giebel die Aufschrift „Inhalatorium“.
Die ursprüngliche Nutzungskonzeption als „Radium-Emanatorium“ präsentiert einen heute fast vergessenen Mythos der balneologischen Medizintechnik des frühen 20. Jahrhunderts.
Noch 1916 nannte das „Handbuch der Balneologie“ die Kohlensäure und das Radium im Thermalwasser als die „zwei wichtigsten und eingreifendsten Forschungsergebnisse“ für Thermalbäder, wobei das 18 Jahre zuvor entdeckte Radium als „neuer Heilfaktor in den Quellen“ anerkannt wurde. Nun glaubte man den mythischen „Quellgeist“, wie die unverstandene Naturkraft der Thermalquellen seit dem Mittelalter benannt wurde, entschlüsselt zu haben. Das Großherzogtum Baden war bestrebt, seine inoffizielle Sommerresidenz Badenweiler mit den medizintechnisch fortschrittlichsten Anwendungen auszustatten. Höhepunkt dieser Entwicklung wurde das „Radium-Emanatorium“, zu dessen Eröffnung 1913 die Kurzeitung schrieb:
„So kommt auch unser Kurort in den Genuß der im altberühmten Thermalwasser wirksamen Quantität an Radium, diesem wunderbarsten aller Stoffe der Erde, den man erst vor wenigen Jahren entdeckt hat und der heute bereits zu ungeheurer Bedeutung gelangt ist und für die Zukunft noch ungeahnte Möglichkeiten erwarten lässt.“
Für die Heilanwendung wurde mit großem technischem Aufwand das Radium im Wasser konzentriert und versprüht. Nur in vager Kenntnis von der zellschädigenden Wirkung des Radiums entwickelte sich damals ein wahrer Mythos über dessen verborgenen Heilkräfte, die zur umfassenden Stimulation der Körperorgane, zu Heilung von Rheumatismus, neuralgischen Beschwerden, Schlaflosigkeit und allgemeiner Schwäche dienen sollten. Physikalisch wirksam war allerdings nicht das Element Radium, sondern dessen Zerfallsprodukt, das Gas Radon, das eine energiereiche Alphastrahlung besitzt und zellschädigend wirkt.
Bereits 1921 war bei der Wiederinbetriebnahme nach dem Ersten Weltkrieg die Euphorie verflogen, die Anlage wurde in ein „Inhalatorium“ zum Einatmen von Thermalwassernebel zur Heilung von Atemwegserkrankungen umgewandelt. Mehrmals wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Anlage renoviert, dabei aber architektonisch verunstaltet. 1999 wurde das Inhalatorium geschlossen. Der 2007 entwickelte Plan, in dem Gebäude ein Thermalwassermuseum für das Heilbad einzurichten, scheiterte. 2013 konnte, durch eine großzügige Spende des Badenweilerer Bürger Irmfried Brendel angestoßen, die umfassende Sanierung und Umgestaltung durch das Architektenbüro Dreiseitl (Stuttgart) begonnen werden.
Am 13.1.2016 wurde das Inhalatorium wiedereröffnet. Die Außenfassade wurde in den ursprünglichen Bauzustand zurückverwandelt, im Innenraum laden nun eine große Brunnenschale mit pulsierendem Thermalwasser zu meditativen Mußestunden ein und Zapfstellen zum Wassertrinken. Zwei Zeittafeln informieren zudem über Bedeutung und Baugeschichte des Ortes.